Warum sich falsche Informationen zur Covid-Impfung gut verbreiten

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Wenn Politiker Impfskeptiker unterstützen, sei das Wasser auf die Mühlen von Leuten, die Fake News verbreiten. Das sagt die Desinformations-Forscherin Edda Humprecht im Watson-Interview.

Frau Humprecht, sind Sie schon einmal auf «Fake News» hereingefallen?
Edda Humprecht: Das ist eine beliebte Frage, nur gibt es keine gute Antwort darauf. Wenn man darauf reinfällt, weiss man das in der Regel ja nicht. Das Hereinfallen ist auch nicht das grosse Problem. Worum es vielmehr geht, ist die Frage, warum Bürgerinnen und Bürger Fehlinformationen sowie Desinformationen weiterverbreiten.

Und was wäre hier die Antwort?
Einerseits spielen die sozialen Medien eine zentrale Rolle. Man nutzt Instagram oder YouTube meistens nicht zu Informations-, sondern zu Unterhaltungszwecken. Man ist dann in einer anderen Stimmung, als wenn man eine Nachrichtenwebsite nutzt. Da geht es leichter von der Hand, etwas zu kommentieren oder unbedacht zu teilen. Nicht unbedingt, weil man denkt, dass es stimmt, sondern weil es die eigene Ansicht bestätigt und man Freunden oder Bekannten mitteilen will: «Seht ihr, diese Information bestätigt meine Meinung, ich hatte recht.» Das ist problematisch, weil so Fehl- oder Desinformationen eine grosse Reichweite bekommen. Das hat man bei der Fehlinformation gesehen, dass die Impfung unfruchtbar machen würde. Wenn man eine Nachricht besonders häufig liest, prägt sie sich ein. Auch wenn sich herausstellt, dass sie falsch ist.

(…)

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass man in der Schweiz grundsätzlich zurückhaltend ist, was das Weiterverbreiten, Kommentieren und Liken von Desinformationen betrifft. Sie werden hingegen häufig von prominenten Personen verbreitet, wie etwa von Politikern. So erreichen Desinformationen zur Impfung viele Menschen, was zur Folge haben kann, dass beispielsweise Schutzmassnahmen nicht mehr eingehalten werden. Wenn Politiker Impfskeptiker unterstützen oder die Entscheidungen der Regierung in Frage stellen, ist das Wasser auf den Mühlen von Desinformationsverbreitern. Das ist ein ganz zentrales Problem.

Was für Interessen haben Schweizer Politikerinnen und Politiker daran, Desinformationen zur Impfung zu verbreiten?
Meistens geht es darum, potenzielle Wählergruppen anzusprechen und politische Gegner zu diskreditieren. Wenn beispielsweise der Gesundheitsminister dem gegnerischen Lager angehört, bieten sich Desinformationen als Mittel an, um Misstrauen zu schüren und das Handeln dieses Politikers in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite greifen die Medien diese Ereignisse auf. Auch sie tragen eine Verantwortung bei der Verbreitung von Desinformationen.

(…)
Ich sage nicht, dass die Menschen blind vertrauen und unreflektiert abnicken sollen, was der Bundesrat sagt. Es ist gut, wenn man zu einem gewissen Grad skeptisch ist. Aber es braucht ein gewisses Bewusstsein für die Interpretation von Informationen.

«Bürger sollten verstehen, wie die Medien funktionieren. Es gibt einen Unterschied zwischen interessengeleiteter Kommunikation und journalistischen Normen.»

Was raten Sie?
Einerseits ist es wichtig, Informationen kritisch zu hinterfragen. Gerade, wenn man den Absender oder die Quelle nicht kennt. Dann sollte man fragen: Kam die gleiche Information an einem anderen Ort bereits vor? Wurde sie geprüft, Stichwort Faktenchecker? Gibt es Widersprüche in den Texten? Gibt es Bilder, die möglicherweise manipuliert wurden? Eine ganz wichtige Rolle spielt hier auch die Medienkompetenz, die in der Bevölkerung zum Teil wenig ausgeprägt ist. Untersuchungen in Deutschland haben beispielsweise gezeigt, dass die meisten Menschen nicht wissen, wie öffentlich-rechtliche Medien funktionieren. Sie dachten, das seien Staatsmedien, die von der Regierung gesagt kriegen, was sie schreiben müssen. Bürgerinnen und Bürger sollten verstehen, wie die Medien recherchieren und Nachrichten produzieren. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen interessengeleiteter Kommunikation und journalistischen Normen.

Welchen?
Der Journalismus orientiert sich am Gemeinwohl und an journalistischen Werten. Bei PR geht es darum, Gewinne zu erzielen oder Wählerstimmen zu gewinnen.

Was gilt es zu tun?
Ideal wäre, wenn sich öffentliche Akteure aus Politik und Medien ihrer Verantwortung bewusst sind und sich auch so verhalten. Verantwortungsvoll wäre, nicht die Stimmung anzuheizen und stattdessen nüchtern über Themen zu sprechen und unterschiedliche Aspekte zu betrachten, beispielsweise wissenschaftliche Evidenz, politische Überlegungen und Bedürfnisse unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Dann kommt es gar nicht erst zu einem Hochschaukeln.

Den Original-Artikel gibt es hier.

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